Transformatorische Bildung – Folge 004 “Bildung, Anrufung, Habitus und Etikettierungsansatz / Selda-Interview Teil 2”

Der zweite Podcast zum Selda-Interview FR040.

Transformatorische Bildung – Folge 003 “Bildung und Anrufung nach Judith Butler / Selda-Interview Teil 1”

Heute haben Mimoza und ich das Selda-Interview (FR040der Name ist verändert) besprochen. Leider sind wir ungefähr in der Hälfte unterbrochen worden. Aber es sind doch einige interessante Ideen zur Anrufung dort enthalten.

Zitat „Ähm und was ich, ja ich hatte immer Probleme in der Schule tatsächlich, weil ich viele Mitschülerinnen nicht verstehen konnte was äh zum Beispiel ähm die Religion anging?. Da hat ich immer eine andre Sichtweise als meine Mitschülerinnen? und dafür ähm hab ich mir immer Eingebildet, das ist der äh das Allgemeinwissen vielleicht irgendwo aus auch die Bildung ist das man anders über, über Religion auch denkt als meine Mitschülerinnen. Die eh mich immer als Schlampe bezeichnet oder mich beleidigt haben, weil ich kurze Sachen angezogen hab zum Beispiel? und die aber lange Sachen dafür, in der Pause gekifft haben und äh ganze Zeit mit den Jungs abgehangen haben? ja ne das ist das dann. Hab ich mir auch halt immer ich so das äh und wir haben, ich hatte Ethik, das äh sagt euch vielleicht das ist dieses irgendwie sag ich immer keine richtige Religion man ist ja irgendwie für nix und äh da /lachen, ja/ da äh da war immer die Diskussion ähm von mir? tatsächlich, dass äh ich zwar als Moslem geboren bin? aber es nicht auslebe und ich nicht nur, weil ich jetzt Schweinefleisch äh oder Alkohol trinke in die Hölle komm und, dass ja das war tatsächlich deren ähm das glauben die, das haben die geglaubt, dass wenn die Schweinefleisch essen, dass sie in die Hölle kommen, dass sie in der Hölle irgendwie verbrannt werden. Ob das jetzt so ist oder nicht das kann ich irgendwann sagen, wenn ich äh wied- wiederbelebt werde und sag ja so wars aber mein Verstand (.) hat mir immer gesagt kann doch net sein also warum, man lebt ja nur einmal auf der Welt und warum sollte ich mir, was verbieten äh was, worauf ich eigentlich Lust hab. Manchmal so worauf ich Lust hab, weil viele meiner Mitschülerinnen die ähm vieles auch gewollt haben aber es nicht gemacht haben, dadurch weil es die Kultur, weil (.) es die Religion einfach nicht zu lässt und das ist ja (2) gehört ja auch irgendwie was von Freiheit was von, von eigenem (3) Verstand, ja gut ich glaub ich komm jetzt was vom Thema ab.“

Literatur

Kant, Immanuel: Was ist Aufklärung, Suhrkamp Verlag 1977

Koller, Hans-Christoph: Grundbegriffe, Theorien und Methoden der Erziehungswissenschaft. Kohlhammer, Stuttgart. 2006 (Darin: Kapitel 1: Der Erziehungsbegriff der Aufklärung: Kant. S. 25 ff.)

 

Transformatorische Bildung – Folge 002 “Bildung und Anrufung nach Judith Butler”

Ein Gespräch zwischen  Mimoza und mir zum Thema „Transformatorische Bildung.“

Errata: Ich habe zu Anfang des Podcasts mehrfach von Searle gesprochen. Gemeint war aber immer John Austin.

Literatur

Austin, John: Zur Theorie der Sprechakte. Deutsche Bearbeitung von Eike von Savigny. Reclam, Stuttgart 1972

Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter. Suhrkamp,Frankfurt am Main 1991

Butler, Judith: Haß spricht. Zur Politik des Performativen. Suhrkamp, Frankfurt am Main. 2006

Derrida, Jacques (1988): „Signatur Ereignis Kontext [kommentiert (D)]“, in: Derrida, Jacques: Randgänge der Philosophie. 1. Aufl. Wien: Passagen, 291-314.

Zur Einführung in den Begriff des Performativen erscheint mir folgende Literatur sehr lesenswert.

Volbers, Jörg: Performative Kultur. Eine Einführung. Springer. Darin das Kapitel: Drei Leitpositionen des 3 „Performativen“ S. 19 ff.

 

Transformatorische Bildung – Folge 001 „Bildung und Habitus“

Ein Gespräch zwischen  Mimoza und mir zum Thema „Transformatorische Bildung.“ Das Mesut-Interview (FR028)

Ein kurzes Auszug aus dem Interview:

„Eine Geschichte lässt mich seit dem nicht los: wir haben eines Tages Fußball gespielt, wir und die Kinder und wir wurden oft von anderen Leuten ,äh, aus dem Dorf und aus der Umgebung angefeindet. Die kamen dann halt, ham da in ner Gegend rumgelungert und da Alkohol getrunken und ham rumgepöbelt gegen uns, während wir da am Zaun gespielt haben. Die waren aber auf der anderen Seite vom Zaun. Da ham wir halt Fußballgespielt, wir Kinder, und den Fußball gegen den Zaun getreten und ja. Eines Tages kam‘ die dann halt und haben uns angepöbelt und und ham da so Bierflaschen rüber geworfen und keinen von uns getroffen, einfach nur so und das die uns halt bisschen Angst machen und so, en bisschen rumpöbeln. Ihr kennt das ja wahrscheinlich, wenn Leute betrunken sind und en bisschen rumpöbeln. Die haben uns auch nicht körperlich weh getan, aber die haben halt rumgepöbelt. Und dann ham unsere Eltern und die Verwaltung vom Asylheim, haben dann halt die Polizei gerufen, äh weil die hätten ja zu Schaden kommen können. Dann kam die Polizei, äh, hat mit uns geredet. Hat mit denen ,äh, die warn halt noch da, die sind nicht weg gegangen, die hatten keine Angst. Die waren dann weiter weg ,dann und dann kamen die wieder zu uns und meinten zu uns, wir sollen nicht mehr so nah am Zaun spielen. Und die anderen die halt rumgepöbelt haben und die Flaschen geworfen haben, obwohl wir noch die Flaschen gezeigt haben äh und so weiter, haben nicht mal ‚ ‘n Platzverweis bekommen. Und für ‘n Platzverweis musst du eigentlich nicht mal viel machen, den die Polizisten erteilen und da hat man schon vorgelebt bekommen, was man halt, ja, das wir den Fehler gemacht haben. Und so, als vier/ fünf sechs Jähriger, weiß man nicht wie man da reagieren soll. Wenn ich da Fußball spiele und dann jemand uns, uns was antut und wir die Polizei rufen und die Polizei sagt: Wir ham den Fehler gemacht, wir solln nicht mehr dort spielen /atmet tief ein/ , dass sind so Sachen, was ich da nicht realisieren konnte, aber mh, wenn mir heute sowas begegnet, dann ist das natürlich hochgradig ,ähm, auch rassistisch. Weil das war ja auch nur, weil wir weil wir Ausländer waren und auch aus Bequemlichkeit hat die Polizei uns dann weg gescheucht, wollte nicht mehr, dass wir dort spielen. Und natürlich weiß ich auch, dass es heute anders ist. Das es früher ein bisschen anders war als jetzt.

Heutzutage würde das glaube ich nicht mehr so passieren. Heutzutage sind die Leute bisschen aufgeklärter und en bisschen mh aufnahmebereiter, was ich hier mitbekommen hab. Die Leute verschließen ihre Augen nicht mehr, aber auch nicht überall. Halt teilweise. (mh)“

144 Irgendwann hab ich dann den Hauptschulabschluss gemacht, /zieht die Luft ein/ und das ist mir so
145 einfach gefallen, dass ich dachte,(.) ich mach auch den Realschulabschluss und irgendwann hatte ich,
146 ist mir das auch sehr einfach gefallen, ich hatte den Hauptschulabschluss auch mit 1,0 geschrieben,
147 den Realschulabschluss mit 1,0 geschrieben und Abitur hab ich nicht mit 1,0 geschafft. /schmunzelt/
148 Ich weiß gar nicht mehr, 1,8 oder so, also bisschen besser als 2,0. Und /räusper/ mhmm jaa, was mich
149 dazu gebracht hat, war mhm, das war auf der Hauptschule, da hatten wir son kleinen Wettbewerb,
150 mhmm und der Gewinner hat dann halt son ähh son 10 Euro mhm ähh Bücher-Gutschein bekommen,
151 für son Bücherladen hier in der Stadt in T* bei uns. Und ich, ich weiß gar nicht mehr, was der
152 Wettbewerb war, aber irgendwie hab ich gewonnen und ich hab diesen Büchergutschein bekommen.
153 Und damals war ich halt noch so: „Bücher, kein Plan, was soll das?(.), will ich nicht.“
154 Bin ich halt zu dem Bücherladen und meinte: „Hey, ich hab n Büchergutschein, kann ich das in die 10
155 Euro umwechseln?“ Und der meinte zu mir: „Nein, ich muss was kaufen“. Dann meinte ich zu ihm:
156 „Mhmm, wenn ich was für 1 Euro kaufe, bekomme ich dann die restlichen neun? (?) /lacht/ Und der
157 wusste schon worauf ich hinausmöchte und meinte:“Nein, du musst mindestens ein Buch für
158 mindestens 7-8 Euro kaufen. (.)Mhm,dann bin ich da halt da so rumgelaufen und äh, dann hab ich halt
159 ein Buch gefunden, das hieß „Fermats letzter Satz“ uund das hat, glaube ich, nur 7 Euro gekostet,
160 deswegen hab ich das Buch gekauft, damit ich die restlichen 3 Euro bekomme, und das hab ich dann
161 halt mit nach Hause genommen, hab das angefang zu lesen, aus Langeweile, ich wusste ni (.) ich hatte
162 da nichts zu tun und das, das hat mich dann son bisschen auf die richtige Bahn gebracht, hat mich
163 interessiert, mir die Augen geöffnet, das hat mir (.) ja ich, ich kanns gar nicht beschreiben. Das hat mir
164 so die Liebe zur Mathematik gebracht, zur Logik, das ich logische Sachen gerne sehe, dass ich gerne
165 Strukturen seh? Joa und seitdem fiel mir alles einfach, weil ich Sachen(.) schneller durchblickt habt.
166 I: (mhmmm..)
167 M: Ich kann schon sagen, dank dem Buch. Das Buch hat /zieht Luft ein/ das Buch hat mir sehr gefallen,
168 ist bis heute mein Lieblingsbuch, ich habs mehrmals gelesen und (.) jedem zu empfehlen.

Literatur

Rosenberg, Florian von: Bildung und Habitustransformation. Empirische Rekonstruktionen und bildungstheoretische Reflexionen. Bielefeld: Transcript, 2011

Koller, Hans-Christoph: Bildung anders denken: Einführung in die Theorie transformatorischer Bildungsprozesse. Kohlhammer 2011